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Sure 1: die Eröffnung   (übersetzt von michaelcollins)

Die Fatiha (Eröffnung) ist die erste Sure (Kapitel) des Korans und das häufigste Gebet im Islam. Wer ein frommer Moslem ist, der die fünf erforderlichen täglichen Gebete des Islam betet, wird die Fatiha siebzehn mal im Laufe dieser Gebete rezitieren. Gemäß einer islamischen Tradition sagte der moslemische Prophet Mohammed, dass die Fatiha alles übertrifft, was Allah ("der Gott" und das Wort für Gott, das sowohl arabisch sprechende Christen und Juden, als auch Moslems verwenden) in der Torah, in den Evangelien oder im restlichen Koran enthüllt hat. Und tatsächlich fasst es effizient und redegewandt viele der Hauptthemen des Korans und des Islam im allgemeinen kurz zusammen: Allah als der "Herr der Welten", der allein angebetet und um Hilfe gebeten werden darf, der barmherzige Richter einer jeden Seele am Jüngsten Tag.

In der islamischen Theologie ist Allah der Sprecher jedes Wortes des Korans. Einige haben es als seltsam empfunden, dass Allah so etwas wie "Lobet Allah, den Herren der Welten" sagt, aber das traditionelle islamische Verständnis ist, dass Allah dieses Gebet Mohammed am Anfang seiner Karriere als Prophet enthüllte (die im Jahr 610 nach Christus begann, als er seine erste Offenbarung von Allah durch den Engel Gabriel empfing - eine Offenbarung, die jetzt im Kapitel 96 des Koran enthalten ist), damit die Moslems wissen würden, wie man betet.

Es ist wegen ihrer letzten zwei Verse, dass die Fatiha für Betroffenheit bei Nichtmoslems sorgt und weswegen sie kürzlich [Sommer 2007 in den USA, i-d.info] in den Nachrichten war. Ein schiitischer Imam Husam Al-Husainy entzündete die Streitfrage durch freie Interpretation während eines Gebets beim Wintertreffen des "Democratic National Committee" [kleiner Parteitag der Demokraten i.d. USA], in dem er den Eindruck gab, er bete, dass die versammelten Politiker zum Islam konvertierten. Der Imam Yusuf Kavakci der Dallas Zentralmoschee betete die Fatiha im Senat des Staates Texas, was zu derselben Betroffenheit Anlass gab.

Die letzten zwei Verse der Fatiha bitten Allah: "Zeige uns den rechten Weg, den Weg derer, die du begünstigt hast; nicht den (Weg) derer, die deinen Ärger hervorrufen, noch derer, die in die Irre gehen". Das traditionelle islamische Verständnis ist, dass der "rechte Weg" der Islam ist - siehe z.B. das Buch "Islam, der rechte Weg" ("Islam, the right path") des Islam-Apologeten John Esposito. Der Weg derer, die den Zorn Allahs hervorgerufen haben, sind die Juden, die in die Irre gegangen sind, sind die Christen.

Der klassische Koran-Kommentator Ibn Kathir erklärt, dass "beide von IHM beschriebenen Wege fehlgeleitet [sind]", und: "Diese zwei Wege sind die der Christen und der Juden, eine Tatsache, die der Gläubige beachten soll, damit er sie vermeidet. Der Weg der Gläubigen ist die Kenntnis der Wahrheit und ihre Befolgung. Im Vergleich dazu haben die Juden die Befolgung der Religion aufgegeben, während die Christen das Wissen um die Wahrheit verloren haben. Deswegen kam 'Zorn' auf die Juden herab, während 'irregeleitet' besser auf die Christen passt."

Ibn Kathirs Verständnis dieses Abschnitts ist keine einsame "extremistische" Interpretation. Tatsächlich glauben die meisten muslimischen Kommentatoren, dass die Juden diejenigen sind, die Allahs Zorn hervorrufen und die Christen diejenigen, die in die Irre gegangen sind. Das ist die Ansicht von Tabari, Zamakhshari, dem Tafsir al-Jalalayn, dem Tanwin al_Miqbas min Tafsir Ibn Abbas, Ibn Arabi, ebenso wie Ibn Kathir. Eine gegensätzliche Ansicht, wenn auch nicht die der Mehrheit, ist die von Nisaburi, der sagt: "Die, die den Zorn Allahs auf sich gezogen haben, sind die Nachlässigen und die, die in die Irre gegangen sind, sind die Unmäßigen."

Wahabiten wurden vor einigen Jahren kritisiert für das Hinzufügen von "wie die Juden" und "Wie die Christen" in eingeschalteten Kommentaren über diesen Abschnitt in in Saudiarabien gedruckten Korans. Einige westliche Kommentatoren stellten sich vor, dass die Saudis diese Interpretation und tatsächlich die gesamte Idee der Feindseligkeit des Korans gegen Juden und Christen hervorgebracht hätten. Moslems der ganzen Welt lernen es als eine Selbstverständlichkeit, dass das zentrale Gebet ihres Glaubens Juden und Christen verflucht.

Und unglücklicherweise ist diese Auslegung in der islamischen Theologie ehrwürdig und mehrheitlich verbreitet. Es ist unwahrscheinlich, dass das Drucken dieser Interpretation in eingefügtem Kommentaren in eine Übersetzung die Haltung von Moslems beeinflussen würde, da der arabische Text immer und überall in jedem Fall normativ ist und da so viele Kommentare der Hauptströmung die Idee enthalten, dass Juden und Christen hier kritisiert werden. Durch die Frommen siebzehnmal am Tag.

Bitte nehmen Sie zur Kenntnis, dass ich nicht sage, dass die antijüdische und antichristliche Interpretation der Fatiha die "korrekte" ist. Während ich nicht glaube, dass religiöse Texte unendlich dehnbar sind und dazu gebracht werden können, das zu bedeuten, was immer der Leser möchte, dass sie bedeuten, so wie das einige offensichtlich tun, so ist in diesem Fall Nisaburis Lesung genauso zu bewerten wie die anderen. Es gibt nichts im Text selbst, dass absolut zwingend zu glauben ist, dass er über Juden und Christen spricht. Und es ist bemerkenswert, dass der Dschihad-Theoretiker des 20. Jahrhunderts, Sayyid Qutb, in seinem wuchtigen und sinnträchtig benannten 30-bändigen Kommentar zum Koran, "Fi Zilal al:Qur'an" (im Schatten des Koran), Juden und Christen im Zusammenhang mit diesem Abschnitt nicht erwähnt. Zugleich jedoch hängt die Idee im Islam, dass Juden den Zorn Allahs verdient haben und Christen in die Irre gehen nicht nur allein von diesem Abschnitt ab. Die Juden haben Allahs Zorn hervorgerufen, indem sie Mohammed zurückgewiesen haben (2:87-90) und die Christen sind in die Irre gegangen durch das Festhalten an der Göttlichkeit Christi (5:72).

Die Hadithen, die Tadition der Worte und Taten Mohammeds und der frühen Moslems enthält ebenso Material, das die Juden mit Allahs Zorn und Christen mit seinem Fluch verbindet, welcher von ihrem Irregehen vom rechten Weg herrührt. (Die Juden sind außerdem verflucht gemäß Koran 2:89 und beide sind verflucht gemäß 9:30. Ein Hadith (Bukhari 5:58:169) erzählt, dass ein früher Moslem, Zaid bin 'Amr bin Nufail auf seinen Reisen mit jüdischen und christlichen Gelehrten zusammentraf. Ein jüdischer Gelehrter sagte ihm "Du wirst nicht unsere Religion ganz angenommen haben, bis du deinen Anteil an Allahs Zorn erhalten hast" und der Christ sagte: "Du wirst nicht unsere Religion ganz angenommen haben, bis du einen Anteil an Allahs Fluch erhalten hast". Unnötig zu sagen, dass Zaid ein Moslem wurde.
[Der Hadith ist in "BLOGGING THE QUR'AN" nur knapp wiedergegeben, auf englisch findet man den kompletten Hadith hier: Bukhari 5:58:169, i-d.info]

Im Lichte dieser und ähnlicher Abschnitte sollte es nicht überraschen, dass viele muslimische Kommentatoren die Fatiha so verstanden haben, dass sie diese Ansichten einschliesst.

Nächste Woche: eine Einführung in das längste Kapitel des Koran, die Sura 2 "die Kuh", und ein kurzer Überblick über die Verse 1-39.

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  Sure 2, Verse 1-39

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Englischer Original-Artikel:
        BLOGGING THE QUR'AN, Sura 1, "The Opening"

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        Adel Th. Khoury, ISBN alt: 3579080245, ISBN neu: 978-3579080246
        Rudi Paret, ISBN alt: 3170198297, ISBN neu: 978-3170198296

Online existieren n.a. folgende deutschsprachige Nachschlagemöglichkeiten:
        theology.de
        Saudisches Dawa-Ministerium
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