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Sure 5: der Tisch   (übersetzt von multikultur)

Die zweite Hälfte der fünften Sure des Koran setzt die Thematisierung der Lasterhaftigkeit von Juden und Christen fort. In den Versen 61-68 werden Juden und Christen kritisiert, weil sie sich weigerten, Mohammed nachzufolgen. Warum geben die Rabbiner der Juden ihre sündhaften Reden nicht auf (Vers 63)? Sie erdreisten sich sogar, zu sagen: "Allahs Hand ist gefesselt" (Vers 64).

Allahs Hand gefesselt? Es ist unklar, auf welches jüdische Konzept - wenn überhaupt - der Koran hier anspielt. Ibn Kathir kommentiert: "Allah sagt, dass die Juden - möge Allahs ewiger Fluch bis zum Jüngsten Tag auf ihnen liegen - Ihn als Geizhals darstellen. Doch Allah ist weitaus erhabener als alles, was sie Ihm zubilligen." Er ist zudem der absolut freie Wille, mit absolut ungebundener Hand: Allahs ungefesselte Hand ist ein anschauliches Modell göttlicher Freiheit. Ein solcher Gott kann unter keinen Umständen an Gesetze gebunden sein. Im lang andauernden Streit mit der Sekte der Mutaziliten, die die Bedeutung der menschlichen Vernunft höher ansiedelten als die letztendlichen Gewinner der Debatte dies taten, argumentierten islamische Theologen, dass Allah in all seinen Handlungen nur sich selbst unterworfen sei. Er war somit nicht daran gebunden, das Universum nach logischen und nachvollziehbaren Gesetzen zu formen. "Er wird nicht zur Rechenschaft gezogen über das, was er tut" (Koran 21:23).

Dementsprechend bestand keinerlei Veranlassung, die Mechanismen der physischen Welt zu ergründen; es gab keinen Grund zu der Annahme, irgendein Muster in seinen Funktionsweisen könne beständig oder auch nur erkennbar sein. Wenn Allah nicht der Beständigkeit kosmischer Gesetze unterlag, warum sollte man Zeit damit verschwenden, diese zu erforschen? Bereits morgen könnte sich alles wieder geändert haben. Der katholische Geistliche und Physiker Stanley Jaki erläutert, dass es der bedeutende Sufi-Vordenker al-Ghazali war, der "die Naturgesetze, ja das gesamte Feld der Wissenschaft als blasphemische Einschränkung des freien Willen Allahs verurteilte". Moses Maimonides, der grosse jüdische Philosoph des 12. Jahrhunderts, beschreibt die islamische Kosmologie in ähnlichen Worten und fügt hinzu, dass die islamischen Intellektuellen seiner Zeit davon ausgingen, dass "die generelle Möglichkeit bestand, dass ein existierendes Wesen grösser oder kleiner sein könnte, als es tatsächlich war, oder dass es sich in Form und Ausrichtung von seiner eigentlichen Erscheinung unterschied. So könne zum Beispiel ein Mann die Grösse eines Berges haben, über mehrere Köpfe verfügen oder in der Luft schweben. Oder ein Elefant könne die Grösse eines Insekts haben und umgekehrt. Diese Methode des Einräumens von Möglichkeiten wird auf das gesamte Universum angewandt."

Bereits früh wurde so der Wissenschaft innerhalb der islamischen Welt die philosophische Grundlage entzogen, die für ihre Fortentwicklung unabdingbar war. Sie fand diese Grundlage nur im christlichen Europa, wo man davon ausging, dass Gott dem Wesen nach gut ist und das Universum nach beständigen und erkennbaren Regeln gestaltet hat. Eine solche Vorstellung wäre für einen gläubigen Muslim gleichbedeutend mit der Aussage: "Allahs Hand ist gefesselt."

Vers 64 entnehmen wir außerdem: Wann immer die Juden "ein Feuer zum Krieg zünden, löscht Allah es aus". Damit ist laut dem Tafsir (Koran-Kommentar) al-Jalalayn "Krieg gegen den/die Propheten" gemeint. Bulandshahri dazu: "Die Juden unternehmen jede Anstrengung, um Krieg gegen die Muslime anzuzetteln, doch Allah vereitelt all ihre Versuche, indem er Furcht in ihre Herzen sät oder ihre Niederlage in diesen Schlachten herbeiführt." Darüber hinaus "trachten die Juden danach, Verderben über die Welt zu bringen" - also "fasaad", wofür die Strafe in Vers 33 festgeschrieben ist: "daß sie umgebracht oder gekreuzigt werden, oder daß ihnen wechselweise (rechts und links) Hand und Fuß abgehauen wird, oder daß sie des Landes verwiesen werden."

Die Verse 66, 68 und 69 ermahnen Juden und Christen dazu, den Schriften der Torah bzw. des Evangeliums zu folgen und verspricht dafür die Erlösung im Paradies. Dies ist keineswegs (wie häufig dargestellt) ein Ausdruck konfessionsübergreifender Großherzigkeit, sondern die erneute Feststellung, dass der Koran eine Bestätigung früherer Schriften sei, die das Erscheinen Mohammeds bereits prophezeit hätten. Ibn Kathir weist Juden und Christen drauf hin, dass sie "keinen wahren Glauben haben werden, bevor sie nicht Tawrah (Torah) und Injil (Evangelium) vollkommen in sich aufgenommen haben und danach leben. Das heißt, bis sie all jenen Büchern glauben, die Allah den Propheten für sie offenbarte. Diese Bücher gebieten, Mohammed zu folgen, an seine Prophezeiungen zu glauben und stets nach seinem Gesetz zu leben."

In Vers 72 wird, wie bereits in Vers 17, die Gottgleichheit Jesu Christi abgelehnt - und diejenigen, die daran glauben, als "Ungläubige" bezeichnet. Vers 73 greift die Verneinung der Dreifaltigkeitslehre aus 4:171 wieder auf. Jesus und die Jungfrau Maria werden zwar abermals in einer Reihe mit Allah aufgezählt, jedoch als Sterbliche: Beide nahmen irdische Nahrung zu sich (Vers 75) "wie alle anderen Menschen auch," so der Tafsir al-Jalalalyn, "und ein solcher kann kein Gott sein, wegen seines erschaffenen Wesens und seiner fehlbaren Natur, und wegen [der Unreinheit von] Urin und Exkrementen, die er ausscheidet". Die eigentliche christliche Vorstellung des eingeborenen Sohns, in der Jesus sowohl Gott als auch Mensch ist, gerät gar nicht erst in den Fokus der Betrachtung.

Indessen werden die ungläubigen Juden für ihren Ungehorsam sowohl von David als auch von Jesus verflucht (Vers 78). Die Muslime erfahren, dass diese Juden ihre erbittertsten Feinde sind, während jene, die ihnen am nächsten stehen, die Christen sind (Vers 82). Gemäß dem Ma'alimut Tanzil [Koran-Kommentar von Ibn Masud Baghavi aus dem 11.Jhdt., i-d.info] bezieht sich dieser Vers jedoch nicht auf alle Christen, sondern nur auf diejenigen unter ihnen, die den Islam annehmen. Das machen die Verse 83 und 84 deutlich, in denen besagte Christen Mohammeds Botschaft empfangen.

Die Verse 87-108 stellen verschiedene Verhaltensregeln für Muslime auf. Darunter das Gebot, dass derjenige, der einen Eid bricht, zur Sühne entweder zehn Bedürftige speisen oder einen Sklaven freilassen muss (Vers 88). In den Versen 90-91 werden Alkohol und Glücksspiel als "Teufelswerk" entlarvt - und natürlich streng verboten. Die Verse 101 und 102 warnen die Muslime: "Fragt nicht nach Dingen, die, wenn sie euch kundgetan werden, euch leid tun, und die, wenn ihr zu der Zeit, da der Koran herabgesandt wird, nach ihnen fragt, euch (ohnedies) kundgetan werden! Allah hat sie (vorerst) nicht angerechnet. Er ist mild und bereit zu vergeben." Wie auch immer: "(Schon) vor euch haben Leute danach gefragt. Aber dann glaubten sie (doch) nicht daran." Dies könnte erklären, warum einige Imame so überaus empfindlich auf Fragen reagieren.

Die Verse 109-120 wenden sich erneut Jesus Christus zu und betonen seine Stellung als Propheten, der seine Wunder einzig auf Veranlassung Allahs gewirkt habe - und somit nicht selbst Gott sein kann. Das Wunder von den Vögeln aus Lehm, die zum Leben erwachen (Vers 110) findet sich im Kinderevangelium des Thomas, einem gnostischen Text aus dem zweiten nachchristlichen Jahrhundert. Es ist anzunehmen, dass die Gnostiker das Oströmische Reich verlassen hatten, um drohender Verfolgung zu entgehen, und sich daraufhin im arabischen Raum niederließen. Die Verse 112-115 geben der Sure ihren Titel: sie erzählen davon, wie Jesus Allah um einen Tisch mit Speisen aus dem Himmel bat, was "von jetzt an bis in alle Zukunft eine Feier und ein Zeichen von dir sein wird" (Vers 114). Dies mutet wie ein Überbleibsel der christlichen Eucharistie an: der Verzehr von Fleisch und Blut Christi in Form von Brot und Wein, zu Mohammeds Zeiten ein zentraler Bestandteil in den Zeremonien aller christlichen Gruppen. In Vers 116 fragt Allah ganz direkt: "Jesus, Sohn der Maria! Hast du (etwa) zu den Leuten gesagt: "Nehmt euch außer Allah mich und meine Mutter zu Göttern?", was Jesus selbstverständlich verneint. Wer etwas anderes glaubt, wird bestraft werden.

In der nächsten Folge: Sure 6, "Das Vieh": Allah spendet Mohammed Trost.

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  Sure 6, Verse 1-83

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Englischer Original-Artikel:
        BLOGGING THE QUR'AN, Sura 5, "The Table", verses 61-120

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        Adel Th. Khoury, ISBN alt: 3579080245, ISBN neu: 978-3579080246
        Rudi Paret, ISBN alt: 3170198297, ISBN neu: 978-3170198296

Online existieren n.a. folgende deutschsprachige Nachschlagemöglichkeiten:
        theology.de
        Saudisches Dawa-Ministerium
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